Die kleine ADHS-Sprechstunde (Ausgabe 2020) by 1-2-buch

Die kleine ADHS-Sprechstunde (Ausgabe 2020) by 1-2-buch

Autor:1-2-buch [1-2-buch]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Dr. Gerrit Scherf
veröffentlicht: 2020-02-13T17:27:34+00:00


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5 Kimura et al., Biological Psychology 74 (2007), 39-45

6 Panossian et al., Phytomedicine 17,7 (2010), 481-493

Medikation und Neurobiologie

Vor allem die Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin spielen eine besondere Rolle.

Dopamin ist chemisch eine Vorstufe von Noradrenalin und Adrenalin und regelt als Neurotransmitter vor allem Motorik und Koordination, Konzentration, Motivation und kognitive Leistungsbereitschaft, zum Teil in enger Wechselwirkung mit Serotonin.

Noradrenalin ist als Neurotransmitter hingegen für das Aufmerksamkeits- und Wachheitsniveau verantwortlich.

Im Allgemeinen geht man heute davon aus, dass bei ADHS-Betroffenen ein neurochemisches Ungleichgewicht im Frontalhirn vorliegt, auf das die Symptomatik zurückgeführt werden kann.

Das Frontalhirn ist in der Lage, Handlungsvorgänge zu planen, Stimmung zu kontrollieren, Impulse zu hemmen sowie das Arbeitsgedächtnis zu strukturieren. Genau hier sind die Defizite, an denen die medikamentöse Behandlung bei Betroffenen ansetzt.

Während Atomoxetin hauptsächlich als Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer den Botenstoff Noradrenalin (ganz gering auch Dopamin) erhöht, wird bei Methylphenidat Dopamin und Noradrenalin gleichzeitig durch Hemmung der Wiederaufnahme erhöht.

Bei Amfetaminsulfat werden neben der Wiederaufnahmehemmung von Dopamin und Noradrenalin quasi zusätzlich die Enden der Nervenzellen ausgequetscht, so dass neben Wiederaufnahmehemmung auch zusätzlich eine vermehrte Freisetzung der Botenstoffe erfolgt und die Potenz und Wirksamkeit ansteigt.

Der Wirkungseintritt der Substanzen unterscheidet sich allerdings stark. Während Methylphenidat und Amfetaminsulfat quasi wie eine Art Lichtschalter beginnend ab 30 Minuten in ihrer Wirksamkeit spürbar werden, so unterliegt Atomoxetin als Antidepressivum einem verlangsamten Wirkungseintritt von mehreren Wochen.

Hier vergleiche ich Atomoxetin eher wie eine Art Turbolader, der durch langsame Aufladung seinen maximalen „Druck“ erreichen muss, um dann wirksam arbeiten zu können. Lässt der Druck nach (wie zum Beispiel bei vergessener Tabletteneinnahme), so wird dies gleich durch Wirkungsverlust an Konzentration, Aktivismus und Dynamik für die Betroffenen spürbar. Bei erneuter Einnahme von Atomoxetin ist dieser Vorgang aber sofort reversibel (umkehrbar). Antidepressiva funktionieren ähnlich.

Meiner Erfahrung nach existiert eine 2-zeitige Wirkung von Atomoxetin. Während die erste Phase für viele Patienten schon sehr schnell spürbar ist und durch eine beruhigende und stimmungsausgleichende Komponente innerhalb weniger Tage charakterisiert ist, zeigt sich in der zweiten Phase 7-14 Tage verzögert eine leicht stimmungsaufhellende und unter Umständen auch Libido-steigernde Wirkung, die mit der angestrebten Aufmerksamkeitsverbesserung einhergeht. Ähnlich verhält es sich umgekehrt mit Auslassen und Absetzen von Atomoxetin. Langsam lässt dann die aufmerksamkeitsverbessernde Wirkung nach, während die Affekt- und Stimmungsstabilisierung schnell an Wirkung verliert.

Langsame und schnellwirksame Medikamente haben hierbei aber auch wiederum Vor- und Nachteile. Wird also nur kurzzeitig eine verbesserte Aufmerksamkeit benötigt, so bietet sich Methylphenidat an. Viele Betroffene nehmen die Methylphenidat-Wirkung aber als „kalt und sachbezogen“ wahr. Der folgende „Rebound“ wird auch als unangenehm erlebt, wobei hierbei die wiederkehrende ADHS-Symptomatik nach Verlust der Wirksamkeit des Methylphenidats als störend empfunden wird und die ADHS-Symptomatik wie ein Pendel zurückschlägt. Amfetaminsulfat wird hierbei „weicher“ und von den Betroffenen als „nicht so kalt“ beschrieben.

Amfetaminsulfat zeigt bei verordneter Dosis eventuell einen leichten euphorisierenden (stimmungsaufhellenden) Effekt, bietet aber auch das Potenzial von Missbrauch. Missbrauchspotenzial findet sich bei Atomoxetin oder Methylphenidat meiner Erfahrung nach nicht. Ein Rebound-Phänomen tritt bei Amfetaminsulfat seltener auf, dafür können bei zu später Einnahme aber Schlafstörungen resultieren.

Bei starken Stimmungsschwankungen mit depressiven Episoden bietet sich aber auch Atomoxetin an, da sich



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